Blockchain und Nachhaltigkeit – Widerspruch oder Ergänzung?

In einer vernetzten, globalen Welt wird eine transparente, unmittelbare, lückenlos nachverfolgbare, fälschungssichere und chronologische Erfassung von Transaktionen möglichst vieler Vermögenswerte zu einer grossen Herausforderung. Die Blockchain Technologie ist die lange gesuchte Lösung dafür. Der Hype ist in den letzten Monaten zwar einer gewissen Skepsis gewichen. Zwei Missverständnisse sind dafür verantwortlich. Einerseits wird Blockchain allzu oft auf seine bekannteste Anwendung – die Kryptowährung Bitcoin – reduziert. Und Bitcoin hatte gerade jüngst wie alle Kryptowährungen mit enormen Kursschwankungen zu kämpfen. Andererseits steht Blockchain im Ruf, enorme Rechnerkapazitäten zu benötigen und gleichsam ein Energiefresser zu sein. Derartige Bedenken gelten jedoch nur für bestimmte Anwendungen der zugrunde liegenden Technologie wie eben z.B. Bitcoin. Je nach Netzwerkarchitektur, Wahl der Protokolle und Einrichtung, verbraucht eine moderne Blockchain nicht mehr Energie als herkömmliche Datenbanklösungen. Vor allem dieser letzte Einwand hat dafür gesorgt, dass gerade im Kampf gegen den Klimawandel Bedenken gegenüber Blockchain geäussert wurden. Dabei kann man die Blockchain-Technologie durchaus als Booster im Kampf für eine nachhaltigere Welt bezeichnen.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Das Twinset der Zukunft

Liechtenstein und seine Banken haben nie in diesen Chor der Kritiker eingestimmt. Im Gegenteil: gerade für uns Banken gehören Digitalisierung und Nachhaltigkeit quasi wie Zwillinge zusammen. Sie sind daher auch die beiden Eckpfeiler der im letzten Jahr veröffentlichten Roadmap 2025, unserer Mehrjahresstrategie. Wichtig dabei ist sicher auch, dass wir Nachhaltigkeit viel umfassender als den zugegeben aktuell drängendsten Kampf gegen den Klimawandel definieren. Wir richten unsere Anstrengungen an den breit gefassten 17 nachhaltigen UN-Entwicklungszielen (SDGs) aus. Doch nicht nur die Banken, sondern auch Liechtensteins Regierung hat sehr früh das Potential der Digitalisierung erkannt. So wurde z.B. mit dem sogenannten Blockchain-Gesetz bereits 2020 weltweit erstmalig eine gesetzliche Grundlange für Blockchain-Anwendungen geschaffen.

Transparenz, neue Finanzierungsquellen und neue Anreize

Doch wie genau kann nun die Blockchain die Welt nachhaltiger machen oder dabei helfen, den CO2-Ausstoss gemäß dem Pariser Klimaabkommen zu reduzieren? Die Nachverfolgbarkeit von Transaktionen auf einer Blockchain spielt auch hier wiederum eine zentrale Rolle. So macht die Technologie die Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsziele sichtbarer, indem sie ermöglicht, Daten und Informationen über Projekte transparent nachzuverfolgen und zu vollziehen. Mittels Blockchain-gestützten Plattformen können Daten vereinheitlicht, die Leistung von Investments bewertet und so die Einhaltung z.B. von ESG-Standards verbessert werden. Dieses Potenzial wird in einer nicht so fernen Zukunft noch verstärkt werden, wenn das Internet der Dinge integriert und mit künstlicher Intelligenz sowie Quantum Computing verknüpft wird.

Mindestens genauso bedeutend sind in diesem Zusammenhang aber noch weitere Aspekte. So macht es die Blockchain möglich, neue Finanzierungsquellen zu erschließen und z.B. bestehende Zusagen der Industrie zur CO2-Reduktion durch die Einrichtung neuer Finanzierungsplattformen besser zu mobilisieren. Zur Erinnerung: Auf globaler Ebene wird geschätzt, dass sich das jährliche Investitionsvolumen, um die SDGs zu erreichen, auf circa USD 7 Billionen beläuft. Ein substanzieller Teil muss von der Privatwirtschaft kommen. Gelingt es also, die Kapitalkosten für Infrastrukturprojekte zu senken und gleichzeitig die Liquidität, Transparenz und den Zugang zu Finanzmitteln zu verbessern, kann dies die ambitionierten Zielsetzungen erheblich realistischer machen. Schliesslich kann die Blockchain das Bewußtsein und den Zugang verbessern, indem sie als transaktionsfördernde Infrastruktur für neue Marktmodelle fungiert. Dies schafft Anreize und erhöht so die Bereitschaft von Institutionen und Verbrauchern, zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind gewaltig. Laut einer neuen Studie des Weltwirtschaftsforums und von PwC könnten zwei Drittel der insgesamt 169 Unterziele der SDGs durch technologische Innovationen unterstützt oder sogar befeuert werden.

Mit dem Blockchain-Gesetz und den bereits früh damit gesammelten Erfahrungen ist der Finanzplatz Liechtenstein in einer ausgezeichneten Lage, die neuen Technologien zu nutzen, um seine Verantwortung für Nachhaltigkeit und den Anspruch darauf zu wahren. Die finanziellen Mittel sind ebenso vorhanden wie das Wissen, was zu tun ist. Jetzt braucht es konsequentes Handeln und den dafür nötigen Mut sowie Leadership. So wird der Finanzplatz seinem Claim «Denken in Generationen» auch in Zukunft wirklich gerecht.

Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband

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