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Trotz Rechtsanspruch Teilzeit? Nicht bei uns! Chef lässt Mitarbeiterin nach Babypause abblitzen

Von Sandra Dorn | 31.07.2022, 16:40 Uhr

Sie ist Maschinenbauingenieurin und hat drei kleine Kinder. Ein Jahr nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes wollte Silke A. aus dem Raum Osnabrück zurück in ihren Job - und zwar in Teilzeit. Doch ihr Chef sagte: „Nein.“

In diesem Text erfährst Du:

  • Wie es mit dem Recht auf Teilzeitarbeit aussieht.
  • Warum Frauen in ähnlicher Situation nicht die Schuld bei sich suchen sollten.
  • Was Expertinnen raten, wenn der Arbeitgeber sich querstellt.

Seit 2013 arbeitet A. als Projektingenieurin im Fahrzeugbereich. Ihr Mann ist im selben Unternehmen angestellt - und das macht es kompliziert. Da sie auf keinen Fall riskieren will, dass auch er Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber bekommt, möchte sie in diesem Text anonym bleiben. Silke A. heißt in Wahrheit also anders.

Ihre Söhne sind zwei, vier und fünf Jahre alt. Zwischen dem ersten und zweiten Kind hat sie in Teilzeit in dem Familienunternehmen weitergearbeitet, erzählt sie, zwischen dem zweiten und dritten Kind ebenfalls.

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Kitaplätze organisiert - alles umsonst

Als sie zur Geburt des Jüngsten Elternzeit anmeldete, kündigte sie auch direkt an, dass sie nach einem Jahr mit 18 Stunden pro Woche zurückkehren möchte. Im September 2021 sollte es wieder losgehen. Sie hatte es geschafft, für alle drei Kinder Ganztags-Kitaplätze zu ergattern, alles war perfekt vorbereitet. „Wir hatten Glück, dass das geklappt hat“, erzählt sie.

Drei Monate vorher rief sie in der Firma an, um zu fragen, wie genau alles ablaufen wird. „Ich wollte mich möglichst frühzeitig melden, weil ich dachte, dass der Geschäftsführer das bestimmt vergessen hat“, sagt sie. „Und der sagte dann: ‚Ich werde Ihnen keine Teilzeitstelle geben‘.“ Sie wandte sich an den Geschäftsinhaber, aber auch der habe abgeblockt.

Recht auf Teilzeitarbeit ist Gesetz

Die Rechtslage ist klar: Silke A. hat wie jeder andere Arbeitnehmer auch ein Recht darauf, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, und zwar nicht nur in der Elternzeit. So steht es im Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). Voraussetzung ist, dass der Betrieb mehr als 15 Beschäftigte hat. Das ist bei A.s Arbeitgeber der Fall. Als Schlupfloch hat der Gesetzgeber allerdings die Ausnahme ins Gesetz geschrieben „... sofern betriebliche Gründe nicht dagegen sprechen“.

Silke A. könnte ihr Recht auf Teilzeit also durchaus erstreiten, will aber nicht übers Arbeitsgericht gehen. „Wir sind ja jetzt komplett auf das Einkommen meines Mannes angewiesen“, sagt sie. Und der arbeitet ja wie gesagt im selben Betrieb.

Ein extremer Fall, aber kein Einzelfall

„Dass der Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung geleugnet wird, habe ich noch nicht erlebt“, sagt Beraterin Bettina Jacob-Stallforth. Seit acht Jahren leitet sie in Teilzeit die Koordinierungsstelle „Frau und Betrieb“ in der Osnabrücker Schlossstraße, wo sich Silke A. nun Hilfe suchte. Was hingegen häufiger vorkomme, sei dass sich Unternehmen „winden“, wenn es um Teilzeit geht, sagt Jacob-Stallforth. „Je höher qualifiziert die Frauen sind, desto schwieriger ist es für sie, in Teilzeit zu arbeiten.“

Viele Arbeitgeber hätten immer noch nicht verstanden, dass Mitarbeitende in Teilzeit oft effizienter seien und zudem die Zufriedenheit steige, wenn der Wunsch auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfüllt werde.

Mann verdient mehr

„Ich habe meinen Job geliebt“, betont Silke A. „Ja, ich wollte Kinder, aber ich wollte auch wieder arbeiten.“ Hätte nicht alternativ ihr Mann die Arbeitszeit reduzieren können? Nein, der verdiene trotz vergleichbarer Qualifikation mehr. Ein strukturelles Problem, wie Jacob-Stallforth betont.

Schuld bei sich gesucht

Silke A. ist eine eher zurückhaltende, zarte Frau, die aber schnell auf den Punkt kommt. Mit der Reaktion ihres Chefs kamen Selbstzweifel auf. „Wieso will der mich nicht mehr? Ich habe doch nichts falsch gemacht.“ Das nage an ihr. Viele schlaflose Nächte habe sie hinter sich, auch Tränen seien geflossen.

„Viele Frauen suchen die Schuld bei sich“, sagt Jacob-Stallforth. Und bei Silke A. kommt noch erschwerend hinzu, dass ihr Umfeld sie nicht versteht. „Alle sagen mir, dass es mir gut gehen sollte“, berichtet sie. „Genieß doch die Zeit!“ - Aussagen wie diese bekomme sie häufig zu hören.

Dass sie lieber arbeiten würde, als sich ausschließlich um Kinder und Haushalt zu kümmern, stoße auf wenig Verständnis. Damit in der Familie mit nur einem Einkommen das Geld reicht, haben sie und ihr Mann die Betreuungszeiten in der Kita auf halbtags reduziert.

Rat: Druck auf Arbeitgeber erhöhen

Demnächst hat sie nochmal einen Gesprächstermin mit ihrem Chef. Jacob-Stallforth rät ihr, einen Zeugen mitzunehmen - egal, wie der Chef darauf auch reagieren mag. Sie soll sich die Aussage, Teilzeit sei nicht möglich, schriftlich geben lassen und hinterher eine Zusammenfassung des Gesprächs an die Geschäftsführung schicken - mit der Bitte um Bestätigung. Kurz: Sie soll ruhig Druck auf den Chef ausüben - warum denn auch nicht, schließlich sei sie im Recht.

Frauen würden sich in so einer Situation zu oft fragen, was ihr Chef denn dann von ihnen halten würde. „Sie gehen oft in die Defensive“, sagt Jacob-Stallforth. „Dabei müssen die Betriebe kapieren, was sie verlieren, wenn sie so eine Mitarbeiterin gehen lassen. Was es an Geld und Zeit kostet, neue Leute zu suchen.“ Vom Fachkräftemangel mal ganz abgesehen.

Lieber einen familienfreundlicheren Arbeitgeber suchen

Jacob-Stallforths Kollegin Sina Schriewer ergänzt: „Was ist denn, wenn ihr Mann am Ende auch geht? An den Wissensverlust denken viele Arbeitgeber nicht.“

In letzter Konsequenz können die beiden Silke A. nur raten, sich einen neuen Job bei einem familienfreundlicheren Arbeitgeber zu suchen. Dabei könne die Koordinierungsstelle helfen, die 89 Betriebe im Verbund unterstützt und unter anderem in Fragen zur Familienfreundlichkeit berät.