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Kieler und Flensburger Förde Meerwalnuss: Eine Qualle aus Amerika in der westlichen Ostsee

Von Carlo Jolly | 27.07.2022, 14:58 Uhr

Die kleine leuchtende Meerwalnuss ist zwar eine für den Menschen ungefährliche Quallenart und schön anzusehen. Sie könnte aber dennoch einiges Unheil anrichten.

Seit mehr als 20 Jahren taucht Thomas Raake (61) in der Flensburger Förde. Vor zwei Wochen hatten ihn Frühschwimmer am Flensburger Strand Ostseebad auf die kleine leuchtende Quallenart aufmerksam gemacht. Die Meerwalnuss sei auch an der Oberfläche geschwommen und soll schon von der Seebrücke zu sehen gewesen sein.

Der biologisch interessierte Fotograf schnappte sich seine Ausrüstung und machte sich auf die Suche. An der Mole des kleinen dänischen Hafens Kollund auf der Nordseite der Flensburger Förde machte er dann selbst die leuchtende Entdeckung: „Ich bin ihr schon einmal vor zehn Jahren begegnet und finde sie hochinteressant“, sagt Thomas Raake.

„Die Fäden sehen dann aus wie bunte Lauflichter auf dem Jahrmarkt, wunderschön.“
Thomas Raake
Fotograf und Taucher in der Förde

Die urspünglich an den Küsten Nordamerikas lebende Quallenart leuchtet im Dunkeln. Raake berichtet von seinem Tauchgang im flachen Fördewasser, dass man diese sogenannte Bioluminiszenz auch am Tag erleben könne: „Ich stelle es auch fest, wenn ich sie anblitze“, sagt der Fotograf: „Die Fäden sehen dann aus wie bunte Lauflichter auf dem Jahrmarkt, wunderschön.“

Raake erinnert sich, dass es vor vielen Jahren schon einmal große Aufregung nach dem Auftreten der kleinen Qualle gegeben habe. Im Schwarzen Meer soll die für den Menschen ungefährliche, aber offenkundig gefräßige Meerwalnuss einst ganze Fischbestände bedroht haben.

„Sie ist nicht rund und hat nicht dieses typische Quallenschwimmen.“
Nora Grossschmidt
Mikrobiologin bei Geomar in Kiel

Bei Geomar, dem Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, wird seit vier Jahren über die Rippenquallenart geforscht: Mnemiopsis ist ihr lateinischer Name. Seit zwei Jahren beschäftigt sich Doktorandin Nora Grossschmidt mit der kleinen Qualle. Warum sie wenig bekannt ist? „Sie sieht nicht wirklich aus wie eine Qualle“, sagt die Wissenschaftlerin: „Sie ist nicht rund und hat nicht dieses typische Quallenschwimmen.“

In der Ostsee, wo sie neben der Kieler Förde und vor Eckernförde auch schon am Nord-Ostsee-Kanal nachgewiesen ist, werde die Meerwalnuss rund zehn bis maximal 15 Zentimeter groß. Das Hauptproblem: „Sie hat hier keine natürlichen Feinde und kann sich ungehindert ausbreiten“, erklärt die Mikrobiologin.

Wer als Badegast auf sie trifft, darf entspannt bleiben: „Sie ist absolut ungefährlich, sticht nicht und verursacht keine Hautreizungen“, so Grossschmidt zum Forschungsstand. Für Schwimmer ist der Kontakt allein etwas unangenehm, weil sie etwas glibberig sei.

Seit 2006 sei die Meerwalnuss in der Kieler Förde nachgewiesen: „Sie ist hier, und sie bleibt wahrscheinlich hier.“ Sie komme aus wärmeren Gewässern an der Ostküste Amerikas: „Der Klimawandel trägt dazu bei, dass sie sich hier wohler fühlt.“

Für den Fischbestand und das Ökosystem könne sie gefährlich werde: „Sie frisst einfach alles.“ Sie könne nicht nur den Fische die Nahrung wegfressen, sondern ernähre sich auch von Fischlarven und Fischeiern. „Wenn die Umweltbedingungen günstig sind, kann sie in einer hohen Anzahl vorkommen.“

„In der Kieler Förde haben wir sehr selten solch ein extremes Massenauftreten an Quallen.“
Nora Grossschmidt
Geomar

Ob in der Ostsee schon einmal solch ein Massenvorkommen beobachtet worden sei, dass sich der Badegast wie in einer Grütze wiederfindet wie in den 80er oder 90er Jahren im Schwarzen Meer? „In der Kieler Förde haben wir sehr selten solch ein extremes Massenauftreten an Quallen, mir ist jedenfalls kein Bericht darüber bekannt“, sagt Mikrobiologin Grossschmidt.

Wassertemperatur aktuell kaum über 15 Grad

Außerdem könnten die Bestände auch wieder zurückgehen, wenn sich Umweltbedingungen zu Ungunsten der Quallen verändern. Zum Beispiel kältere Wassertemperaturen im Sommer und Winter würden die Leuchtqualle womöglich zurückdrängen, da die optimalen Wassertemperaturen für diese Qualle um die 20 Grad lägen. In der Flensburger Förde, wo Mnemiopsis jüngst gesichtet wurde, liegen die Wassertemperaturen indes aktuell kaum über 15 Grad.

„Es ist vielleicht eine pro Quadratmeter.“
Thomas Raake
Schwimmer und Taucher

Fotograf Thomas Raake sieht die Konzentration seines neuen leuchtenden Lieblings indes völlig entspannt: „Es ist vielleicht eine pro Quadratmeter, und auf keinen Fall ein ganzer Teppich wie zuweilen bei Ohrenquallen.“