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Ölüberwachung über der Ostsee So jagt die Pollution-Control Umweltsünder aus der Luft

Von Peer Schmidt-Walther | 21.07.2022, 10:54 Uhr | Update am 25.07.2022

Wir begleiten einen Flug der Pollution Control, der Ölüberwachung, über der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern – und machen uns gemeinsam mit der Crew auf die Jagd nach Umweltsündern.

Tief hängende graue Wolken, aus denen dichte Regenbahnen hängen, jagen von Westen über Nordholz bei Cuxhaven. Auf dem Flugplatz des Marinefliegergeschwaders 3 „Graf Zeppelin“ herrscht noch morgendliche Ruhe. Doch eine Crew bereitet sich auf den Tag vor. „Unser Programm heute?“ Kapitänleutnant Steffen W. lächelt entspannt: „Nur ein Routineflug über die Ostsee“.

Doch auch der muss vorbereitet werden. Das geht am besten bei einem Kaffee, dessen Duft das Stabsgebäude durchweht. Kommandant und Co-Pilot, Oberleutnant zur See Tobias M., scharen sich mit Systembeobachter, Stabsbootsmann Dirk J., um ein paar Computer, blättern in ihren Unterlagen und freuen sich, dass „es bald losgeht“.

Trotz aller Akribie ist die Stimmung unter den drei Fliegern entspannt und locker. Das Wetter sehe zwar hier über der Nordseeküste nicht so knackig aus, „aber wir lassen uns überraschen“, gibt der Kommandant das Zeichen zum Aufbruch.

Draußen wartet schon ein Kleinbus, der die Drei über das weitläufige Flugfeld kutschiert. „Hier können die größten Maschinen der Welt starten und landen“, erklärt Steffen W. Und erzählt weiter, dass auf dem Gelände seit 1914 die Kaiserliche Marine-Luftschiffer-Abteilung mit bis zu 42 Zeppelinen stationiert war, bis 1963 hier wieder deutsche Marineflieger Einzug hielten.

Tiefdruckgebiet einfach überholen

„Na, wie sieht‘s denn heute aus?“, fragt er den diensthabenden Meteorologen, um den herum das Wettergeschehen bewegt über die Bildschirme flimmert. „Könnte besser sein“, sagt der Mann ohne von den Tiefdruckwirbeln aufzublicken und erklärt die Lage entlang der geplanten Flugroute.

Dadurch aus der Ruhe bringen lässt sich die erfahrene Crew nicht, „denn“, so Torsten W., „wir fliegen immer, ob bei Windstärke 12, Regen, Eis oder Schneestürmen. Da kann uns nichts mehr so leicht erschüttern“.

Einen Lichtblick gebe es allerdings noch, lächelt der „Wetterfrosch“, „über Meck-Pomm reißt die Bewölkung auf“. „Dann machen wir uns mal auf die Socken und überholen einfach das Tiefdruckgebiet“, grinst der Kaleu, unterschreibt diverse Papiere und schließt damit das Briefing ab.

In der Halle steht die eingerüstete Schwestermaschine mit der Kennung 57-05, die zur Wartung ansteht. Ihren Zweck kann man am und unter dem Rumpf ablesen: Pollution Control – Ölüberwachung. Nord- und Ostsee stehen ständig auf dem Arbeitsprogramm von PC AIR. An Bord Aufklärungstechnik vom Feinsten: das modernste europäische Luftüberwachungssystem. Stückpreis: 15 Millionen Euro, gut angelegt, weil ein wirkungsvolles Abschreckungspotenzial gegen Ölsünder.

Auf dem Vorfeld glänzt unsere von Schauern geduschte 57-04. Co-Pilot Tobias M. macht seine vorgeschriebene Runde um die 228 NG, deren Zusatz „New Generation, Neue Generation“, bedeutet, also jüngster Stand der Technik. Er dreht die Propeller per Hand, steckt den Kopf in die Radkästen, überprüft die beiden Triebwerksgondeln – alles nach einer genau festgelegten Liste.

Dann heißt es Platznehmen, alles verstauen in Kabine und Cockpit, Kopfhörer anlegen und einstöpseln.„Bitte anschnallen!“, hört man Steffen W. und weiter: „Wir machen denn erst mal Krach“. Spricht´s und startet den kräftigen 1158 kW-Turboprob-Antrieb.

Take-off-briefing completed

Die beiden Piloten checken jeden Punkt noch einmal. Bis nach rund 30 Minuten in englisch-deutschem Fliegermix an die Flugleitung gemeldet werden kann: „Papa Charlie 474 is ready for departure. Take-off-briefing completed“. Und an die Crew gewandt: „Alle sind dabei, denn jetzt geht´s los! Take off und rotate, abgehoben, Roger! Ab in 4000 Fuß. Wir haben nichts Besonderes für die Ostsee. Denn man Tschüß und schönen Flug!“

„Tschüß bis später!“, verabschiedet sich der Kommandant bei seinem Kollegen aus dem Maritimen Lagezentrum des Havariekommandos auf Deutsch, „dann geh ich erst mal rechts rum Richtung Itzehoe“. Hinein in die regenschweren, turmhohen Wolkenballen. Die 228 schüttelt sich unwillig und kämpft sich bei Sicht Null durch nach oben. Der Tower fragt an: „Ihr seid vom Schirm verschwunden!“ Alle wundern sich, bis auf Nachfrage von unten Aufklärung kommt: „Kein Echo, weil ihr in einem schweren Schauer seid und daher unsichtbar!“

Doch auf dem Cockpit-Schirm tummeln sich nahebei Echos. Ein Lufthansa-Pilot – „Alpha traffic“ – ist zu hören, doch „dank Antikollisions-Radar besteht keine Gefahr“, hört man Steffen W.s beruhigende Stimme.

„Über den Wolken…“ von Reinhard May möchte man jubeln und dem Meteorologen für die guten Aussichten danken, als die Wolken genau über der Altstadt von Lübeck aufreißen. Witzelt der muntere Kaleu von vorn: „Gefahr der Sonnenbrille ist angesagt!“ Dann brummt PC AIR mit der schlanken Elektronik-Nase mit 300 Sachen auf Ostkurs und checkt dabei die dahin schleichenden Frachter- und Fährenkolonnen in der berüchtigten engen Kadetrinne zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark.

„Ölsünder haben bei uns keine Chance“, so der Kommandant, „denn immer mal spüren wir illegal eingeleitete Schadstoffe auf“. Heute bleiben die Sensoren „cool“, aber Dirk J. zeigt in einer Simulation, wie das im Ernstfall tatsächlich aussehen kann. „Da unten, die grün-roten Algenteppiche“, zeigt er durchs Bullauge, könnte ein Laie schon für Verschmutzungen halten“.

Auf 30-Meter-Tiefflug bei „Mann über Bord!“

Inzwischen zieht der Dornbusch-Leuchtturm an der Nordspitze der Insel Hiddensee an Backbord vorüber, Steuerbord bald der Gellen, die Nordansteuerung von Stralsund; kurzer Blick schräg nach unten zur Marinetechnikschule in Parow, bis sich nach nur einer Flugstunde die Hansestadt am Sund in ihrer strahlenden Pracht präsentiert. Rügen wird umrundet und im Luftsprung hüpft die Maschine nach Mön hinüber – „abgesprochen mit den Dänen“, so Steffen W. - , weiter geht es über Gedser mit Kurs Flensburger Förde.

„Dann machen wir noch mal einen Ausflug zu den Nordfriesischen Inseln“, kündigt der Kaleu an, bis gleich darauf über den Seenotkanal 16 eine Meldung zu hören ist: „Mann über Bord von einer weißen Segelyacht mit der roten Aufschrift ,SECOND LIFE‘ zwischen Maasholm und Kiel. Kein Funkkontakt!“ Sofort wird der Kurs in Absprache mit RCC Bremen, der Rettungsleitstelle, nach Süden geändert.

Die Bewölkung hat zugenommen, das Tief uns wieder eingeholt. „Alles festhalten, Achtung Geisterbahn!“, entscheidet der Kommandant in Absprache mit der Flugleitung, „jetzt stürz ich mich mal runter auf 100 Fuß!“ Im Tiefflug wird jeder Segler bis hinein in die Eckernförder Bucht angeflogen. „Dann lassen wir uns gern mal wieder kräftig durchschütteln!“

Inzwischen suchen unter uns auch die Korvette „Ludwigshafen“ und ein Minenjagdboot. „Wie die Nadel im Heuhaufen“, meint der Kaleu, „bei der Masse von Booten“, und fragt: „Wieviel Sprit noch?“ „Noch für eine Extrastunde“, meldet Co-Pilot Tobias M., sodass bei leichter Sichtverbesserung noch ein paar luftige Kreise gedreht werden können. Nach rund 20 Minuten wird die Suche abgebrochen, die Seenotleitung stimmt zu.

Doch noch ein Ölsünder?

Die Crew der „Öl-Do“ hat ihren Job für heute erfüllt und dreht landeinwärts. Doch von wegen ruhiger Heimflug: In der Kieler Bucht treiben ungerührt zwei Fischkutter in einer riesigen Öllache. Augenblicklich drückt der fliegende Kaleu die elektronische Supernase nach unten, zieht eine Schleife und noch eine. Die Fischer halten mit der Arbeit inne, legen den Kopf in den Nacken.

An Bord steigt die Spannung. So viel Öl auf See, aber die hochsensiblen Scanner und Sensoren bleiben cool. Sogar die Spezialisten sind ratlos. In 30 Metern Höhe geht ihm schließlich ein Öllämpchen auf: Die Fischer schlachten ihre Beute und die riesige, glitzernde Lache da unten – nichts weiter als harmloses Fischöl.

Im Steigflug wieder auf 4000 Fuß. „Ab nach Nordholz und direkt nach Hause!“, gibt Steffen W. die Marschroute vor. Die führt über den Nord-Ostsee-Kanal bis zur Heimatbasis. Dort hat sich das Tief anscheinend festgekrallt. „Über der Ostsee vor Meck-Pomm war´s viel schöner“, fasst der Kaleu den Tag zusammen.

Nach 450 Seemeilen und drei Stunden zehn Minuten Flugzeit bei 350 Liter Spritverbrauch pro Stunde setzt PC AIR 474 auf. Wasserfontänen von der Landebahn spritzen hoch auf und werden zu Gischt verwirbelt – fast wie zur Begrüßung. Die After-landing-check-list wird routinemäßig abgearbeitet, dann – mit garantierter Aussicht auf fliegerische Nacharbeit im Büro - heißt es nur noch schlicht: „Mission completed!“